Talentschulen-Programm
Sehr geehrter Herr Löttgen,
auf Initiative der CDU-FDP-Fraktion im Landtag NRW wurde das Programm "Talentschule" auf den Weg gebracht. Die mit diesem Programm avisierten Ziele und Absichten, den Erhalt eines qualifizierten Hauptschulbildungsangebots insbesondere in sozialen Brennpunktregionen, werden von uns vorbehaltlos begrüßt.
In unserer Heimatstadt Marl sehen wir uns täglich mit den strukturellen, demographischen und sozialen Problemen konfrontiert, die die Veränderungen unserer von Kohle und Chemie geprägten Region mit sich bringen. Als Gemeinde in einer Randlage des Ruhrreviers gestaltet sich der fällige Strukturwandel nur sehr schwer, insbesondere, weil Marl als pflichtige Stärkungspaktgemeinde nur wenige Möglichkeiten hat, den Wandel aus eigener Kraft zu stemmen. Dies wird zusätzlich dadurch erschwert, dass die Auflagen zur Haushaltssicherung uns zwingen, durch die Erhöhung von Gebühren und Abgaben für Investoren, privat und institutionell, an Attraktivität zu verlieren, denn das gerade in solchen Situationen sinnvollere antizyklische Fiskalmanagement (ein klares Entwicklungskonzept vorausgesetzt) wird durch die Auflagen des Haushaltsrechts faktisch unmöglich.
Umso wichtiger ist es, den Bildungsstandort Marl zu stärken um ein klares Signal an potentielle Investoren aber auch expansionswillige Unternehmen am Standort zu senden, dass das Schul-angebot vor Ort in der Lage ist, den Bedarf an ausbildungsfähigen jungen Menschen bedienen zu können. Neben der Orientierung an der bestehenden Wirtschaftsstruktur und der angestrebten Weiterentwicklung des kommunalen Wirtschaftsraums, sind hier die sozio-ökonomischen Randbedingungen zu berücksichtigen d.h., z.B. die Überwindung sozialer und kultureller Verwerfungen über ein Bildungsangebot, dass jungen Menschen eine reelle Chance in den Berufseinstieg bietet.
Mit der durch die rot-grünen Vorgängerregierungen konsequent durchgeführten Demontage der Hauptschule und der damit faktisch einhergehenden Abwertungen der Realschul- und Gymnasialabschlüsse (als Folge der faktischen Verhauptschulung dieser Bildungseinrichtungen), ist dem Bildungssystem in NRW ein immenser Schaden zugefügt worden, unter dem auch die klassischen Ausbildungsberufe, für die die Hauptschule der kongeniale Einstieg war, leiden.
Ungeachtet der im Bildungsentwurf der Landesregierung alternativ vorgesehenen Schaffung eines eigenständigen Hauptschulzweiges an Realschulen über die Binnendifferenzierung nach Klasse sechs ist es unabdingbar, die zurzeit noch bestehenden und in ihrer pädagogischen und didaktischen Arbeit sehr gut aufgestellten und funktionierenden Hauptschulen in ihrem Be-stand zu sichern; die vorgenannte Option kann nur eine Ultima Ratio sein.
Für Marl bedeutet dies, das die einzige noch erhaltene Realschule, nicht durch einen Haupt-schulzweig zusätzlich belastet werden darf und die einzige noch am Standort bestehende Hauptschule erhalten werden muss um das vielfältige Bildungsangebot zu sichern und ein Ab-gleiten in ein Einheitsschulsystem zu verhindern.
Um dies zu erreichen wäre es wünschenswert, bei der Entscheidung zum Talentschulen-Pro-gramm den Fokus auf die Hauptschule zu legen und im Rahmen eines Moratorium, zumindest für die nächsten vier Jahre, die im Schulgesetz definierte Mindestschülerzahl für Hauptschulen auszusetzen, damit diese Schulen eine Chance haben, über das Talentschulen-Programm, wieder an Akzeptanz zu gewinnen.
Für Marl wäre dies ein wichtiger Schritt zu Sicherung des insgesamt leistungsfähigen Schulan-gebots vor Ort.
Thomas Terhorst (Stadtverbandsvorsitzender), Karl-Heinz Dargel (Fraktionsvorsitzender), Axel Olbertz (schulpolitischer Sprecher)
Diesen Brief hat ebenfalls der schulpolitischer Sprecher der CDU Landtagsfraktion NRW, Herr Frank Rock, erhalten.