Resolution zum Chemiestandort Marl
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir, der Rat der Stadt Marl, sind tief besorgt um die Sicherheit des Chemiestandortes Marl mit seinen mehr als 11.000 Beschäftigten.
Die jüngsten Berichte des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) zur aktuellen Lage der Chemieindustrie in Deutschland sind düster bis katastrophal. Aus verschiedenen Gründen, von denen ein Teil jenseits der Beeinflussung durch die deutsche Politik ist, bspw. die chinesische Konjunktur, hat die Branche insgesamt einen Umsatzrückgang von etwa einem Siebtel einzuplanen.
Für Marl und somit für das nördliche Ruhrgebiet, sind die mit der Chemieindustrie einhergehenden Arbeitsplätze und Steuereinnahmen nach dem Ende des Steinkohlebergbaus im letzten Jahrzehnt der wichtigste Einzelfaktor der Wirtschaftsleistung.
An der Chemie hängen aber nicht nur die direkten Arbeitsplätze selbst, sondern mittelbar auch durch die infolge der guten Löhne entstehende Kaufkraft sowie weitere Erwerbsmöglichkeiten in einer Stadt bzw. Region, die nach dem Strukturwandel immer noch unter einer hohen Arbeitslosigkeit leidet. Für die Stadt Marl selbst sind die Unternehmen der Chemieindustrie essenziell zur Aufstellung ausgeglichener Haushalte aufgrund der mit ihnen verbundenen Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Deren Hebesatz ist in Marl schon sehr hoch, weil die vielfältigen Pflichtaufgaben bspw. im Sozialen, in der Bildung und in Sachen Infrastruktur ansonsten, trotz großzügiger Hilfen des Landes und auch des Bundes, kaum gewährleistet werden können. Kurz gesagt, Marl ist abhängig von der Chemieindustrie als wesentlichem Kern des Wohlstandes der Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger.
Zwar sind, wie erwähnt, einige Faktoren, nicht durch den Rat oder das Land und den Bund schnell beeinflussbar. Geändert werden können aber die Standortbedingungen in Deutschland. Dazu zählen zum einem längerfristig die Aus- und Weiterbildung qualifizierten Personals, der Abbau bürokratischer Hemmnisse bei Investitionen und die Verbesserung der Infrastruktur, gerade im Hinblick auf Digitalisierung.
Man mag einwenden, dass die großen Unternehmen der Chemieindustrie durch fähige Führungen und engagierte Mitarbeiter selbst eine große Resilienz vor Bankrotte aufweisen. Andererseits können die Kräfte des Marktes aber dazu führen, dass entweder Produktionen woanders hin verlagert werden, neue Investitionen nicht mehr am Standort Deutschland getätigt werden oder konkurrierende Unternehmen auf dem Globus an Wettbewerbsfähigkeit und Marktanteilen gewinnen, was den Standort Deutschland, darunter auch Marl, gravierend schwächen würde.
Es ist nach unserer Auffassung, und Sie werden dem sicher zustimmen, viel schwieriger, verlorene Produktionen, Investitionen oder Marktanteile wieder zu gewinnen als vorhandene Stätten zu sichern. Aus diesem Grund bitten wir sie, dass der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung kurzfristig gesetzliche Grundlagen legen, die die Sicherung der Chemischen Industrie in Marl, wie auch in ganz Deutschland, gewährleisten.
In diesem Sinne bitten wir Sie die hohen Energiekosten durch staatliche Eingriffe zu senken, indem:
a) ein niedrigerer Industriestrompreis geschaffen wird, um für Unternehmen den Standort Deutschland attraktiver zu machen oder
b) die Stromsteuer und die Netzentgelte gesenkt werden.
Langfristig sollte dies einhergehen mit dem Vorantreiben des Ausbaus der Nutzung preisgünstiger erneuerbarer Energien.
Diese Maßnahmen sichern nicht nur Arbeitsplätze in Marl und ganz Deutschland, sondern erhöhen auch die Nettokaufkraft der Bürgerinnen und Bürger und bekämpfen die grassierende Inflation. Kurz, sie schaffen Wohlstand.
Daher hoffen wir, dass Sie sich unserer Bitte nicht verschließen.